Dom Pedro Casaldáliga verstorben

Verehrt und verwünscht.- Petrus, dem Fels, macht das nichts aus.

(Eine Würdigung durch unseren Brasilienmissionar Adolfo Temme ofm.)

Was die grossen Männer waren, Aloisius Lorscheider, Evaristo Arns, Helder Camara: "Der Herrgott holt sie einen nach dem andern", so schrieb ein "charismatischer Theologe" mit Schadenfreude. Auf der Seite verhehlt man die Freude nicht. So hat doch ein Abgeordneter von sich gegeben: "Pedro ist dir ekt zur Hölle gefahren!" Aber so war das nicht. Petrus, der Schlüsselverwalter, hat das Tor weit aufgetan.

Warum ist der 92-jährige gegangen? Er hat gesagt: „Ich kann nur noch tun, was Dr. Parkinson mir erlaubt!" Deshalb hat er den Schlusspunkt gesetzt mit seinem letzten Willen: "Begrabt mich am Ufer des Araguaiastromes, wo die weissen Reiher stolzieren". Aber es ging nicht um Romantik. Der gewünschte Ort war nämlich so etwas wie der Abräumplatz für die Seelen, die nicht gut genug waren für den Friedhof der Bürger. Hier wurden Indianer und Frühgeburten und Opfer von Racheakten verscharrt. Pedro kommt jetzt und gibt ihnen himmliche Bürgerschaft. Bei ihm ist alles logisch und konsequent.

1964 kam er von Spanien als Claretianermissionar. Dem Franco-Regime entronnen, geriet er in die hiesige Militär-Revolution. In São Félix do Araguaia ließ er sich nieder. Im Jahre 1972, bei verschärfter Diktatur, wurde er zum Prälaten (Bischof) des Missionsgebietes der gleichen Stadt eingesetzt. Das erste, was er baute, war nicht eine Kathedrale, sondern eine Schule. Sein Lebensstil hatte nichts von einem Prälaten. So konnten die Menschen dem Hirten ihr Leben und ihre Last anvertrauen. Sein unklerikales Auftreten hat ihm einmal das Leben gerettet. Er war das gewünschte Opfer, aber ein anderer mit Talar wurde getötet.

Von allen Dramen, die er durchstanden hat, möchte ich beschreiben, was sich 1976 ereignete. Die Landarbeiter von Ribeirão Cascalheira hatten einen Wachsoldaten umgebracht, der sich durch barbarische Gewalttätigkeit hervorgetan hatte. Der Verdächtige konnte entkommen, aber dafür wurden seine Frau und eine Schwiegertochter festgenommen. Sie waren Opfer grosser Qualen, und ihre Schreie waren in der Stadt zu hören. Die Schwiegertochter wurde mehrfach von den Polizisten vergewaltigt.

Am 12. Oktober erschienen Dom Pedro und Pater Bosko Burnier zu einem Gottesdienst in der Stadt. Danach gingen die beiden auf die Polizeistation, um die Freilassung der Frauen zu erreichen. Die Verhandlung führte nicht zum Erfolg. Stattdessen wurde Padre Burnier vor den Augen des Bischofs erschossen. Am 18. Oktober war die Sieben-Tages-Messe des Ermordeten. Danach wurde vor dem Gefängnis ein Kreuz eingepflanzt mit einem Schild, worauf geschrieben stand: "Hier wurde am 12. Oktober 1976 Padre Burnier umgebracht, durch die Hand der Polizei, als er die Befreiung der Opfer forderte." Eine Frau erhob die Stimme und sagte laut: "Was bedeutet die Polizeiwache für uns? Und was sagt uns das Kreuz?" - Die Menschen schrien ihre Not heraus. Eine Frau sagte: "In diesem Gefängnis haben nur arme Schlucker gebüsst. Ich war diejenige, die hier als erste gesessen hat". Eine andere sagte: "Und das Kreuz, was will es uns sagen? Es klagt die Gewalt an, und wir führen die Klage aus!" Das Gefängnis wurde platt gemacht, und die Gefangenen befreit. Das war ein Schrecken für das Militär-Regime. Eine Kommission kam in den Ort und untersuchte den Fall, weil man darin ein Aufflackern der REVOLTE VOM ARAGUAIA vermutete.

Ein Jahr nach dem Tode von Padre Burnier wurde in der gleichen Stadt, Ribeirão Cascalheira, das HEILIGTUM DER MÄRTIRER errichtet, wo all der Vielen gedacht wird, welche die Befreiung mit dem Leben bezahlt haben. Bei den Bauarbeiten war Dom Pedro mit der Schubkarre zu sehen.

Es ist nicht genug, Jesus zu folgen. Mit ihm müssen wir das Kreuz tragen.

Der Poet Dom Pedro schreibt zuversichtlich über seine Begegnung mit dem Herrn:

Am Ende des Weges wirst Du mich fragen:
Wie war´s? Hast du gelebt? Hast du geliebt?
Und ich, ohne etwas zu sagen,
werde mein Herz öffnen: VOLL VON NAMEN.

 

Teresina, den 19.08.2020
Frei Adolfo Temme ofm

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