TROTZ ALLEDEM… Eindrücke unserer Mitarbeiterin Frau Márcia Santos Sant’Ana von der KoBra-Frühjahrstagung am 21. und 22. April 2017 in Berlin

Die Frühjahrstagung der Kooperation Brasilien e.V. (KoBra e.V.) – eine Nicht-Regierungsorganisation mit einem großen Netzwerk von Initiativen und Gruppen zur Brasiliensolidarität – fand dieses Jahr in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin statt. KoBra e.V. hatte außerdem anlässlich ihres 25-jährigen Bestehens zu einer Podiumsdiskussion eingeladen. Die Gäste waren:

Verena Glass, Projektkoordinatorin der Rosa-Luxemburg-Stiftung (São Paulo) sowie Journalistin und Kennerin der sozialen Bewegungen in Brasilien
Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung (Berlin) und Expertin im Bereich „shrinking spaces“
Kelli Mafort, Koordinatorin  der Landlosenbewegung (São Paulo) 

Unter der Moderation von Luciano Wolff, dem Leiter des Referats Südamerika von Brot für die Welt, wurde am 21. April über die aktuelle politische Situation in Brasilien diskutiert. Die Debatte stand unter dem Thema „Soziale Kämpfe in schwierigen Zeiten und schwindende Spielräume für die Zivilgesellschaft“. Dabei ging es auch um die Frage, wie es zu einer der schwierigsten Wirtschaftskrisen in der Geschichte Brasiliens überhaupt kommen konnte. Brasilien scheint dem weltweiten Trend  zu folgen, wonach  Regierungen die zivilgesellschaftlichen Akteure systematisch in ihren Handlungen einschränken und ihnen  Steine in den Weg legen, sobald sie soziale Missstände, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen anprangern. Grundrechte wie Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit und Recht auf freie Meinungsäußerung werden durch ausgeklügelte „Tricksereien“ unterlaufen und so die Grundwerte der Demokratie bedroht. Viele der anwesenden Organisationen und Brasilienkenner, wie zum Beispiel Christian Russau vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) in Berlin, berichteten über die herrschende politische Willkür in Brasilien, die die ökonomische Elite verteidigen will. Repression in Form von Ermordung und Einschüchterung ist dabei ein alt bekanntes Mittel, um die brasilianische Gesellschaft um jeden Preis zu entpolitisieren.

Umso wichtiger war es, in den Workshops am zweiten Tag der Frühjahrstagung die unverzichtbare Rolle der KoBra e.V. und ihres Netzwerks in Deutschland zu betonen. Die brasilianische Zivilgesellschaft über Grenzen hinweg zu  unterstützen, bleibt nach wie vor eine Herausforderung für alle Akteurinnen und Akteure, die sich diesem Netzwerk angeschlossen haben. Indem wir in Deutschland über die Missstände in Brasilien berichten, stärken wir enorm eine Gesellschaft, die nach der Amtsenthebung von Dilma Rousseff und unter der aktuellen Regierung von Michel Temer auf sich selbst gestellt ist.

Im Nordosten Brasiliens versucht die Franziskaner Mission Dortmund in ihren Bildungsprojekten  – wie z.B. der Familienlandwirtschaftsschule Manõel Monteiro in Lago do Junco oder der Frei-Alberto Schule in São Luís – durch Bewusstseinsbildung und Schulzugang mündige Bürgerinnen und Bürger heranzuziehen und sie dazu zu befähigen, die aktuelle politische Situation zu ändern. Denn ohne Dialog und konkretes Handeln gerade an der Basis der brasilianischen Gesellschaft wird sich der momentane Trend – soziale Entkräftung und Umweltzerstörung zugunsten eines wirtschaftlichen Wachstums ohne gerechte ökonomische Verteilung – weiter fortsetzen.