Rio+20
Vom 20. bis zum 22. Juni 2012 findet in Rio de Janeiro die UN-Konferenz „Rio +20“ statt – eine Umweltkonferenz zum Thema Nachhaltige Entwicklung, an der rund 130 Vertreter von Regierungen aber auch von Nicht-Regierungs-Organisationen teilnehmen. Flankiert wird die Konferenz vom „Gipfel der Völker“, einer Alternativveranstaltung, die vom 15. bis zum 23. Juni parallel in Rio stattfindet und mit den Weltsozialforen vergleichbar ist.
An beiden Veranstaltungen werden auch Vertreter der internationalen franziskanischen Familie teilnehmen. Joe Rozansky ofm, Direktor des Büros für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in Rom leitet die knapp 60-köpfige Delegation. Die Organisation der franziskanischen Präsenz vor Ort obliegt Rodrigo de Castro Amédée Péret ofm (Foto), dem Leiter der Kommission für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung der Brasilianischen Bischofskonferenz, der in engem Kontakt zur Franziskaner Mission steht und bereits mehrfach Gast in Dortmund war.
Die deutschen Franziskaner werden vertreten durch Hans-Jürgen Feiten ofm, der momentan als Seelsorger in Halle tätig ist, der jedoch vor seiner Berufung zu den Franziskanern als diplomierter Bio-Ingenieur gearbeitet und dann eine sehr kritische Einstellung zu Themen wie Genmanipulation und der Ausbeutung natürlicher Ressourcen entwickelt hat.
Bei der offiziellen UN-Konferenz vom 20. bis zum 22. Juni 2012 werden die Franziskaner durch Mitglieder der Nicht-Regierungs-Organisation Franciscans International (FI) vertreten, um franziskanische Inhalte – vor allem auch in das offizielle Abschlussdokument – mit einzubringen. Schwester Denise Boyle, Leiterin des FI-Büros in Genf informiert auf facebook tagesaktuell aus Rio. Die meisten Franziskaner werden allerdings an den Veranstaltungen rund um den „Gipfel der Völker“ teilnehmen, um zusätzlich zur, von politischen und wirtschaftlichen Interessen geprägten, Konferenz über alternative Umgangsformen mit der ökologischen aber auch der ökonomischen Krise zu diskutieren. Ein verantwortungsvoller und nachhaltiger Umgang mit der Schöpfung ist Teil des franziskanischen Charismas, und kein Heiliger wird wohl so häufig und selbstverständlich mit dem Umwelt- und auch dem Tierschutz in Verbindung gebracht wie Franz von Assisi. Vor allem der "Sonnengesang" (hier in einer Version von Frau Hildegard Stockmann - ehemalige, mittlerweile verstorbene Mitarbeiterin der Franziskaner Mission) spiegelt die Verbindung von Franziskus mit der Natur wider.
Die Franziskaner Mission hat auf verschiedenen Ebenen zur Finanzierung der franziskanischen Präsenz bei Rio+20 beigetragen – durch die Übernahme der Reisekosten von Hans-Jürgen Feiten ofm, durch die finanzielle Beteiligung am Jahresbudget von Franciscans International und durch eine Co-Finanzierung der Kosten für die internationale franziskanische Delegation. Dies verdeutlicht bereits den Stellenwert, den die Franziskaner Mission allen Bemühungen um einen verantwortungsbewußten Umgang mit der Schöpfung beimißt. Ein weiteres Indiz ist jedoch auch in unserem ganz alltäglichen Arbeitsumfeld zu finden, denn ein Großteil der Missionsprojekte befasst sich mit dem Thema Umweltschutz, wie die folgenden Beispiele zeigen:
Beispiel CEFRAM, Nordost-Brasilien
Die nordostbrasilianische Provinz von Bacabal hat im Vorfeld von Rio+20 ein Seminar im franziskanischen Bildungshaus CEFRAM veranstaltet, zu dem auch Vertreter anderer franziskanischer Provinzen angereist waren. Das Bildungshaus in Bacabal grenzt an einen kleinen Wald, der den Namen „Pater-Ewald-Wald“ trägt. Die Aufforstung des Grundstücks geht auf den deutschen Franziskaner und Brasilien-Missionar Pater Ewald Dimon zurück. Der Name des Ortes Bacabal bedeutet übersetzt „viele Bäume“, was jedoch einem Hilfeschrei gleichkommt, da es in Bacabal fast überhaupt keine Bäume mehr gibt. Mittlerweile kommen viele Schulklassen in den „Pater-Ewald-Wald“ und sehen dort zum ersten Mal Bäume.
Beispiel "Mutter-Erde-Netzwerk", Hermann Borg ofm, Kenia
Schon seit Jahren betreut unser Afrika-Missionar Hermann Borg ofm Baumpflanzaktionen in Afrika. Nun hat er das Projekt „Mutter-Erde-Netzwerk“ ins Leben gerufen. Näheres zu diesem Projekt finden sie hier.
Beispiel Amazonasgebiet, Johannes Gierse ofm, Brasilien
Seit Mitte 2011 lebt und arbeitet unser Brasilien-Missionar Johannes Gierse ofm in Roraima im brasilianischen Amazonasgebiet. Zu seinen zentralen Anliegen gehören der Schutz der Umwelt und der Schutz der Rechte der indigenen Bevölkerung. In einem kürzlich verschickten Rundbrief bezieht er hierzu Stellung.
Beispiel Familienlandwirtschaftsschulen, Nordost-Brasilien
Der Unterricht an den Familienlandwirtschaftsschulen besteht zur Hälfte aus herkömmlichen Fächern und zur Hälfte aus landwirtschaftlichen Kursen. Neben Sprache, Mathematik, Gesellschafts- und Naturwissenschaften lernen die Schülerinnen und Schüler auch, auf umweltschonende Art kleine Flächen Land ertragreich zu bestellen, erfolgreich Kleinvieh zu züchten und sich gesund zu ernähren.
Beispiel Biogasanlage, Kivumu, Ruanda
In der Pater-Vjeko-Schule in Kivumu, Ruanda, die von dem Franziskaner Ivica Peric ofm geleitet wird, werden die Schülerinnen und Schüler täglich mit einer warmen Mahlzeit versorgt. Um den heimischen Baumbestand zu schützen, hat man sich ganz bewußt gegen das Kochen mit Brennholz entschieden und stattdessen mit Hilfe der Berufsschüler eine Biogasanlage gebaut. Wie dieses Projekt umgesetzt wurde können Sie hier nachlesen.
Beispiel Kraniche, Rushooka, Uganda
In der ugandischen Stadt Rushooka unterhalten die Franziskaner eine Pfarrei und kümmern sich vor allem um die große Zahl der Aidswaisen. Auf dem Gelände der Pfarrei laufen auch Gekrönte Kraniche frei herum, was von Bruder Augustinus Diekmann, dem Leiter der Franziskaner Mission, bei einem seiner Besuche dort fotografisch festgehalten werden konnte. Der Gekrönte Kranich – Wappentier von Uganda – gehört mittlerweile zu den seltenen und bedrohten Tierarten. Den Franziskanern von Rushooka ist es sehr wichtig, diesen Vögeln einen Lebensraum zu bieten, und die Vögel fühlen sich dort sichtlich wohl und sicher.
Beispiel Baumpflanzaktion, Bolivien
Auch bei den Projekten der Franziskaner in Bolivien steht der Mensch im Mittelpunkt. Trotzdem ist der Mensch nicht allein auf der Welt. Das beste Projekt hilft daher wenig, wenn bei der Sorge um den Menschen die Umwelt vergessen wird, in der er lebt – und von der er lebt. Zu den Anliegen der Franziskaner in Bolivien gehört es daher nicht nur, sich für ein Leben der ihnen anvertrauten Menschen in Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen. Sie haben gleichzeitig immer auch den Schutz und den Erhalt der Schöpfung, das heißt der Pflanzen und Tiere im Blick, wie das Foto von einer Baumpflanzaktion in Bolivien (www.franziskaner-missionsverein.de) zeigt.
Beispiel Bischof Cappio, Barra, Brasilien
Der Franziskaner Bischof Dom Luiz Cappio ofm aus der Diözese Barra (Bundesstaat Bahia), setzt sich seit Jahren für den Erhalt der Umwelt ein. In Deutschland wurde er vor allem durch seinen Kampf gegen die Flussumleitung des Rio São Francisco und den Erhalt des Kant-Weltbürger-Preises bekannt. Die Franziskaner Mission unterstützt regelmäßig Projekte von Dom Luiz Cappio und durfte den Bischof Ende 2011 zu einem Vortragsabend in Dortmund begrüßen. Ein Porträt, das unser Brasilien-Missionar Klaus Finkam ofm über Dom Luiz verfasst hat, finden Sie hier.
Bei der Eröffnungsveranstaltung der offziellen UN-Konferenz am 20. Juni 2012 stellte die neuseeländische Schülerin Brittany Trilford die etwas provokante Frage, ob die Teilnehmer „bloss hier seien, um ihr Gesicht zu wahren oder um uns zu retten?“. Schon jetzt mehren sich die kritischen Stimmen, die von einem Scheitern oder zumindest von einem enttäuschenden Verlauf der Konferenz sprechen. Aber: die genannten Beispiele von der franziskanischen Basis und aus dem Alltag unserer Missionsarbeit machen Mut und zeigen Wege auf, wie nachhaltiger Umgang mit der Schöpfung gelebt werden kann.
Im folgenden finden Sie einige interessante Links zu Rio+20:
Hier finden Sie Fotos zu einem Demonstrationsmarsch in Rio anläßlich der Eröffnung von „Rio+20“
Hier finden Sie eine Pressemitteilung von Adveniat.
Hier finden Sie ein Statement von Misereor.
Hier geht es zur brasilianischen Homepage des "Gipfels der Völker".
Hier finden Sie die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "Franziskaner" zum Thema Rio+20.