"Zeit der Aussaat" - Erste Eindrücke aus Brasilien von Provinzial P. Cornelius Bohl ofm

Vom 06. November bis zum 06. Dezember 2016 besucht Br. Augustinus Diekmann ofm (Foto links), der Leiter der Franziskaner Mission, unsere Hilfsprojekte und Missionare in Brasilien. In den ersten beiden Wochen wurde er von P. Cornelius Bohl ofm (Foto rechts), dem Provinzial der Deutschen Franziskanerprovinz begleitet. Gemeinsam bereisten sie die Regionen Mato Grosso und Mato Grosso do Sul im Westen Brasiliens, in die die ehemalige deutsche Franziskanerprovinz "Thuringia" ihre Missionare entsandt hatte. P. Cornelius hat in einem Schreiben seine ersten Eindrücke von der Reise in Worte gefaßt:

"Seit eineinhalb Wochen bin ich bereits mit Br. Augustinus in Brasilien. Der Schwerpunkt unserer Reise ist der Besuch der Brüder in der Kustodie von den Sieben Freuden Mariens in Mato Grosso und Mato Grosso do Sul. Gemeinsam mit dem Kustos Roberto besuchen wir dort sechs der sieben Häuser: Campo Grande, Rio Brilhante, Dourados, Itaporã, Rondonópolis und Cuiabá. Ich mache in diesen Tagen zwei sehr unterschiedliche Erfahrungen. Einerseits erleben wir eine junge und dynamische Bruderschaft. Zu den 30 Brüdern mit Ewiger Profess kommen acht Junioren. Drei von ihnen werden nach Weihnachten für ein Jahr ihr Studium unterbrechen und für ein Jahr zu einer missionarischen Erfahrung nach Angola aufbrechen. Die Brüder der Kustodie sind nicht nur in der traditionellen Pfarrpastoral in z.T. flächenmäßig sehr großen Pfarreien tätig, in denen es neben der Pfarrkirche weitere Kapellen mit eigenen comunidades gibt. Ich habe tolle Kinder- und Jugendarbeit erlebt. Andere engagieren sich in sozialen Projekten für Alte und Kranke, Obdachlose oder Drogenabhängige und arbeiten dort mit.

Auf der anderen Seite begegne ich auf Schritt und Tritt einer großen Geschichte mit großen Hoffnungen, die mittlerweile jedoch Vergangenheit ist. Sechs deutsche Brüder leben noch hier, und nicht nur sie erzählen von vielen Orten, Kapellen und Initiativen, die von den Pionieren und ihren Nachfolgern mit Engagement und oft unter großen Mühen aufgebaut wurden.  Vieles von dem, was frühere Brüder hier in Mato Grosso ausgesät haben, trägt reiche Frucht. Alles nicht. Jedenfalls nicht sofort sichtbar. Und mancher Samen bringt anders Frucht, als ursprünglich gedacht: Brüder haben etwas angestoßen, das heute nicht von ihnen, sondern von einer Diözese, einer Kommune, einer Stiftung weitergeführt wird. Beeindruckend ist zum Beispiel das große Krankenhaus São Julião in der Nähe von Campo Grande, in den 40er Jahren als staatliches Leprosarium errichtet, das sich maßgeblich durch die Initiative unseres Mitbruders Hermann zu einem multifunktionales Gesundheitszentrum entwickelt hat, dem sogar Papst Johannes Paul II. 1991 einen Besuch abstattete. Ein Mitbruder ist dort noch als Seelsorger tätig, eine große Franziskusstatue mitten in der Anlage erinnert an die franziskanische Vergangenheit und eine kleine versteckte Gedenktafel an das Wirken unseres verstorbenen P. Hermann, dessen Lebenswerk inzwischen von einer Stiftung weitergeführt wird.

Abschied also auch hier, im größten katholischen Land der Erde, in dem die Brüder auch von einer zunehmenden Säkularisierung sprechen, von dem beängstigenden Erstarken christlicher Sekten und von den zunehmenden Schwierigkeiten, Gemeinde aufzubauen bzw. lebendig zu erhalten? „Zeit der Aussaat“ – so haben die deutschen Bischöfe schon im Jahr 2000 ihre Überlegungen zu einer missionarischen Kirche überschrieben. Im Gleichnis vom Sämann geht Jesus selbstverständlich davon aus, dass nicht der gesamte Samen Frucht bringt. Und dennoch muss gesät werden. Oder besser: Deswegen erst recht! Das Modell der Effizienz, das versucht, mit möglichst geringem Einsatz einen möglichst großen Erfolg zu erzielen, mag ökonomisch alternativlos sein. Im Reich Gottes gilt es nicht. Hier gilt der Auftrag Jesu, zu säen, zu lieben und zu hoffen, das Evangelium zu verkünden, sich einzusetzen und letztlich sein Leben hinzugeben. Die Frage, ob das von Erfolg gekrönt ist, was dabei am Ende „herauskommt“, ob sich das auf Dauer „lohnt“, ist verständlich, für Jesus nicht entscheidend. Es ist Zeit der Aussaat. Nicht unbedingt Zeit der Ernte.

Allen einen herzlichen Gruß aus Mato Grosso.
 
P. Cornelius Bohl ofm
Provinzialminister"

Während P. Cornelius mittlerweile wieder zu seinen Pflichten als Provinzial nach Deutschland zurück gekehrt ist, ist Br. Augustinus in den Nordosten Brasiliens weitergereist, wo er bis zum Nikolaustag noch zahlreiche Hilfsprojekte deutscher Missionare besuchen wird.